Dienstag, 29. März 2011

Mittelohrentzündungen: Falsche Hoffnung in Antibiotika

In den letzten Jahren zeigten zahlreiche Studien, dass der sofortige Einsatz von Antibiotika bei kindlichen Mittelohrentzündungen zumeist nicht notwendig ist und der Schaden überwiegt.  Kürzlich versuchten zwei prominent publizierte Studien, diesen Trend umzukehren. Doch sie erwiesen sich nun als schwer manipuliert. 


Mittelohrentzündungen sind der häufigste Anlass zum erstmaligen Einsatz von Antibiotika bei Babys und Kleinkindern. Dies ist insofern problematisch, als diese Arzneimittel laut aktuellen Analysen häufig Nebenwirkungen haben, etwa Durchfälle und Haut-Ausschläge. Zudem erscheinen immer mehr Arbeiten, welche einen Zusammenhang zwischen der über die Antibiotika-Kuren ausgelöste Störung des kindlichen Immunsystems und einem späteren höheren Asthma oder Neurodermitis Risiko erkennen lassen. Dazu kommt noch die Gefahr von Resistenzen bei übermäßigem Einsatz.
Diesen Nachteilen stehen die Vorteile der Antibiotika gegenüber, die bei etwa zwölf Prozent der Kinder einen etwas rascheren Heilungsprozess fördern. Bei den Schmerzen verschaffen Antibiotika während der ersten 24 Stunden hingegen keine Linderung. Ob sie das in den Tagen danach tun, ist laut aktueller Übersichtsarbeit der unabhängigen Cochrane Collaboration, umstritten.

Während in den USA oder Australien bei nahezu jedem Fall einer Mittelohrentzündung – oder auch beim bloßen Verdacht – zu Antibiotika gegriffen wird, setzt sich in Europa, ausgehend von den Niederlanden, langsam eine etwas zurückhaltendere Verschreibungsweise durch. In Leitlinien wird den Ärzten bei nicht schwer erkrankten Kindern zu "watchful waiting" ("beobachtendes Zuwarten") geraten, wo Antibiotika erst gegeben werden sollen, wenn die Verbesserung ausbleibt oder binnen drei Tagen eine Verschlechterung eintritt. Damit gelingt es, in mehr als 80 Prozent der Fälle ohne Antibiotika auszukommen, die Kinder werden genauso rasch gesund.

Zu Jahresbeginn erschien im New England Journal of Medicine (NEJM) eine US-Amerikanische  und eine finnische Studie, welche mit gänzlich anderen, überraschenden Resultaten aufwarteten. Demnach sei der Nutzen der sofortigen Einnahme von Antibiotika nämlich wesentlich größer als gedacht. Das Risiko eines Behandlungsfehlers werde dadurch um 60 Prozent, jenes von ernsthaften Komplikationen gar um 80 Prozent verringert.
Ein begleitendes Editorial des NEJM gab sich nahezu euphorisch über diese Ergebnisse. Die Süddeutsche titelte "Lieber schlucken statt warten", auch zahlreiche andere Medien berichteten vom Comeback der sofortigen Therapie. Macht es also doch Sinn, bei Mittelohrentzündung gleich von Beginn weg zu Antibiotika zu greifen?

"Nein", befindet das unabhängige "arznei-telegramm" und fühlt den beiden NEJM-Studien ordentlich auf den Zahn. An der US-amerikanischen Arbeit kritisieren die Autoren die zahlreichen Protokollveränderungen im Verlauf und nach Abschluss der Studie, welche "ernste Zweifel an der Integrität der Daten" wecken.
Damit ist gemeint, dass die Bedingungen, nach denen eine Studie ausgewertet wird, schon vor Bekanntwerden der Resultate genauestens festgelegt werden müssen. Damit soll verhindert werden, dass mit den Ergebnissen dann so lange jongliert wird, bis etwas heraus kommt, das den Studienautoren oder den Financiers der Studie in den Gram passt. Genau das wurde jedoch hier ganz offensichtlich gemacht: "Ohne diese nachträglichen Manipulationen am Studienprotokoll wäre die Arbeit eine 'Negativstudie'", heißt es in der a-t Analyse. Die Resultate wurden also ins gerade Gegenteil umgedreht.

Ähnlich harsch fällt das Urteil über die finnische Arbeit aus. Hier wurden "kompliziert konstruierte Endpunkte" kritisiert, welche das Ergebnis zu Gunsten der Antibiotika-Therapie schönen. Als negativer Effekt wird beispielsweise in der Studie erwähnt, dass es bei fünf Kindern unter Placebo aber nur bei einem unter Antibiotika zu einer Perforation des Trommelfelles gekommen sei. Die a-t Autoren schreiben, dass dies für die Kinder  jedoch gar kein negatives Ereignis sein muss, weil dadurch kaum ungünstige Folgen zu erwarten sind und die Schmerzen deutlich erleichtert werden.
Abgesehen von derartigen fragwürdigen Effekten entsprächen die Ergebnisse jedoch jenen der bisherigen Meta-Analysen, wonach sich auch unter Placebo bei 86 Prozent der Kinder bis zum dritten Tag eine Besserung zeigt, gegenüber 92 Prozent unter Antibiotika.
Erkauft wird dieser minimale Vorteil mit einem Anteil von 48 Prozent der Kinder welche auf die Antibiotika-Therapie mit Durchfall, sowie 8,7 Prozent, die mit Haut-Ekzemen reagieren.
Zudem zeigte sich in einer Langzeitstudie, dass nach Behandlung mit Antibiotika das Risiko einer wiederkehrenden Mittelohrentzündung signifikant um 5 bis 35 Prozent ansteigt.

In der aktuellen Ausgabe des "arznei-telegramm" legt der unabhängige Informationsdienst für Ärzte und Apotheker noch einmal nach. Unter dem Titel "Gefälschte Studien - Wo bleiben die Rückrufe der Veröffentlichungen?" fordern die Autoren, dass die wissenschaftlichen Journale rascher Konsequenzen ziehen, wenn es - so wie in den aktuellen Mittelohrentzündungs-Studien des NEJM - zu schweren Manipulationen oder Fälschungen kommt. Davon sei jedoch wenig zu bemerken. "Anscheinend behalten ökonomische Interessen die Oberhand", kritisieren die a-t Autoren.
Profitieren medizinische Fachzeitschriften doch mehrfach von industriegesponserten Studien. Zum einen steigt ihr "Impact Factor" und damit die Anzeigen-Preise, weil derartige Arbeiten erfahrungsgemäß häufiger zitiert werden. Zum zweiten bestellen die Pharmakonzerne häufig Sonderdrucke der Journale, wenn die Resultate besonders hübsch ausgefallen sind und schicken dann ihre Referenten mit den Seriosität ausstrahlenden Journalen in die Arztpraxen um für ihre Medikamente zu werben. Nachdrucke einer einzigen Studie bringen Umsätze in Millionenhöhe.

Die Effekte für die Praxis wären jedenfalls enorm, sollten durch schärfere Regeln "tausende von Arbeiten zurückgezogen oder richtig gestellt werden", stellt das arznei-telegramm fest. Denn erst der konsequente Ausschluss von Fehlinformation ermöglicht den Ärzten zuverlässige Therapieentscheidungen.

Montag, 28. März 2011

Schweinegrippe: Experten als Lobbyisten der Industrie

Die Schweinegrippe war im Jahr 2009 eines der bestimmenden medialen Themen (als Wort des Jahres landete die „Schweinegrippe“ auf den dritten Platz). Bis heute werden allerdings wiederholt Vorwürfe laut, die ausgedehnte Berichterstattung sei Ergebnis von Lobbying-Prozessen der Pharmaindustrie.
Eine Studie, die nun in der Fachzeitschrift Publizistik(VS-Verlag) unter dem Titel „Öffentliches und Geheimes“ erschien, resümiert, dass zwar keine Beweise, wohl aber Indizien für Lobbying-Aktivitäten ausgemacht wurden. Schießt die Pharmabranche bei ihrer Aufklärungsarbeit beizeiten tatsächlich über das Ziel hinaus?

Die Impfstoff-Branche hat nach der Vogelgrippe eine Menge Geld in neue Techniken zur Herstellung eines Pandemie-Impfstoffes investiert und wollte diese möglichst rasch kommerziell verwerten. Die Ausrufung der Pandemie entsprach diesem Wunsch und überraschend war eigentlich nur, wie rasch dieser erfüllt wurde.
Den Medien die Schuld an der Schweinegrippe-Hysterie zuzuschieben, halte ich für verfehlt. Es ist nunmal die Aufgabe der Journalisten, zu Pressekonferenzen zu fahren und den Experten dort Mikrophone unter die Nase zu halten. Das ist ihr Beruf.
Wirklich erstaunlich war hingegen das Verhalten der Influenza Masterminds. Als hätten sie einen gemeinsamen Text auswendig gelernt, handelte jedes öffentliche Statement von der nahenden Weltkatastrophe, die einzig mit Impfstoffen, sowie einem prall gefüllten Tamiflu-Lager zu überstehen sei.
Diese Warnung hatte wenig rationale Basis. Sowohl in Mexiko als auch später während der Influenza-Saison auf der Südhalbkugel löste das H1N1 Virus eine vergleichsweise milde Grippe aus. Das war frühzeitig bekannt.
Dennoch genügte das Codewort Pandemie, um weltweit eine ganze Armee von Universitätsprofessoren und Behördenvertretern in Lobbyisten zu verwandeln, die fortan versuchten die Politiker ihrer Länder zu möglichst umfassenden und möglichst teuren Präventions-Maßnahmen zu erpressen.
Die Analyse der großen Influenza-Pandemie von 2009/10 zeigt vor allem eines: Dass wir eine neue Generation von Experten brauchen. Experten, die ihre Berufung nicht als Handlangerdienst für die Industrie verstehen, sondern als verantwortungsvolle Beratung der Gesellschaft.

Dieser Beitrag erschien in der aktuellen Ausgabe des Ärztemagazin, wo ich auf Einladung des Chefredakteurs Raoul Mazhar seit kurzem mit dem Generalsekretär des Verbandes der Pharmazeutischen Industrie (PharmigJan Oliver Huber in der Rubrik "Stich auf Stich" argumentativ die Klingen kreuze. Die Themen gibt jeweils das Ärztemagazin vor.

Freitag, 25. März 2011

Monopol-Babyimpfung enthält noch immer Quecksilber

Gemeinhin heißt es, dass unsere Impfungen seit etwa zehn Jahren vollständig frei von problematischem Quecksilber sind, das zuvor über viele Jahre als Konservierungsmittel verwendet worden war. Laut einer Untersuchung australischer Wissenschaftler stimmt das jedoch nicht. 

In der Einleitung erklären die Mitglieder der "Swineburne University of Technology" in Melbourne wie sie auf die Idee zu ihrer Studie kamen:
Trotz der Behauptung von Gesundheitsbehörden und Impfstoff-Herstellern, dass der Eliminierungs-Prozess von Quecksilber bereits seit mehreren Jahren abgeschlossen ist, bestehen noch immer Sorgen über Quecksilber in Impfstoffen bei einigen Wissenschaftlern und bei Eltern. Dies mag - zumindest zum Teil - erklären, warum 12 Prozent der australischen Kinder nicht nach den offiziellen Empfehlungen geimpft sind.

Um diese Sorgen auf ihre Relevanz zu prüfen, untersuchte das australische Forscherteam acht Impfstoffe auf ihren Quecksilber ("Thiomersal") - Gehalt. Die Resultate ihrer Arbeit wurden kürzlich im "Journal of Toxicology and Environmental Health" veröffentlicht.
Dabei zeigte sich, dass sieben der getesteten Impfstoffe auch tatsächlich vollständig frei von Quecksilber waren. Die Erfassungs-Grenze lag bei 1 ppb ("parts per billion" = "Teile pro Milliarde"; das entspricht einem Mikrogramm pro Liter).



Nur ein Produkt lag deutlich über diesem Grenzwert: Infanrix hexa. Dabei handelt es sich um die derzeit einzige in Europa zugelassene Sechsfachimpfung für Babys. (Das Konkurrenzprodukt Hexavac wurde 2005 vom Hersteller wegen schlechter Wirksamkeit der Hepatits B Komponente vom Markt genommen.)

Infanrix hexa, jener Impfstoff, mit dem bei uns nahezu alle Babys dreimal geimpft werden, hatte einen Quecksilber-Gehalt von 10 Mikrogramm pro Liter. Die australischen Wissenschaftler wiederholten ihren Test noch einige Male mit Infanrix hexa Proben aus anderen Lieferungen und fanden überall ähnliche Werte. Damit schlossen sie aus, dass es sich um eine zufällige Kontamination handeln könnte.

Sowohl in der letztgültigen Patienten-Information zu Infanrix hexa wie auch in der Fachinformation für Ärzte wird dieser Tatbestand mit keinem Wort erwähnt.

Die australischen Wissenschaftler kritisieren dieses Versäumnis scharf:
Zwar ist diese Menge signifikant unterhalb der Grenzwerte, dennoch ist die gefundene Menge an Quecksilber unerwartet, da sowohl der Hersteller als auch die Behörden angeben, dass es sich bei Infanrix hexa um ein Quecksilber-freies Produkt handelt, was ja für die anderen getesteten Impfstoffe auch tatsächlich stimmt. Im Interesse der öffentlichen Gesundheit obliegt es dem Hersteller des Impfstoffes, sowie den verantwortlichen Behörden, dieses Thema dringend zu behandeln.

Donnerstag, 24. März 2011

Streit um die Schulimpfungen

Soll in den Schulen geimpft werden, so dass eine möglichst große Zahl an Kindern erreicht wird, oder ist das in seuchenfreien Zeiten ein Anachronismus? Zu dieser Frage ist in Österreich eine Debatte entstanden, ausgelöst durch ein Gerichtsurteil: Eine Schulärztin wurde verurteilt, nachdem bei einem 12-jährigen Schüler nach einer Hepatitis-B Impfung eine seltene Nebenwirkung aufgetreten war.
In der Einverständnis-Erklärung, welche die Eltern unterschrieben hatten, ist aber nicht einmal das Wort "Nebenwirkungen" vorgekommen.

Ich habe für das ORF-Magazin "Report" einen Beitrag gestaltet, der vorgestern gelaufen ist. In der tvthek ist der Bericht noch eine Woche abrufbar:

Dienstag, 22. März 2011

KiGGS Umfrage: Kaum Asthma bei ungeimpften Kindern

Geimpfte Kleinkinder haben tendenziell mehr Infekte als ungeimpfte Kinder und leiden häufiger an Allergien. Dies ergab eine wissenschaftliche Umfrage des Robert Koch Institutes unter mehr als 13.000 repräsentativ ausgewählten Familien in Deutschland. Bei ungeimpften Kindern im Alter unter zehn Jahren wurde kein einziger Fall von Asthma identifiziert. Laut Studienautoren ist jedoch alles in Ordnung.

Der groß angelegte Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) verfolgte die Absicht den Zusammenhang zwischen Impfstatus und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen zu untersuchen und ist kürzlich im Deutschen Ärzteblatt erschienen. Die Arbeit basiert auf einer repräsentativen Befragung der Eltern von mehr als 17.000 Kindern und Jugendlichen im Alter von eins bis 17 Jahren. Insgesamt lagen für 13.453 Teilnehmer auswertbare Angaben zu deren Impfstatus vor. Und abermals hatte ich – so wie bei der TOKEN-Studie – den Eindruck, dass hier entweder gewaltig gepfuscht wurde, oder eine offene Aufarbeitung möglicher Zusammenhänge gar nicht erwünscht war.

Den seltsamen Problemen der TOKEN-Studie habe ich mich bereits in einem anderen Beitrag gewidmet. Die teure und extrem aufwändige Studie war vom Robert Koch Institut organisiert worden, um ein für alle Mal zu klären, ob von bestimmten Impfungen, die während der ersten beiden Lebensjahre allgemein verabreicht werden, ein höheres Sterberisiko ausgeht.
Insgesamt sind während des Untersuchungszeitraumes von 2005 bis 2008 in Deutschland 667 Babys im Alter von 1 bis 24 Monaten "unerwartet" und "unerklärbar" gestorben.
Nun wäre es für das Studienziel nötig gewesen, zu erfahren, wann diese Kinder geimpft worden sind und um welche Impfungen es sich dabei gehandelt hat. Diese Verknüpfung war aber - vorgeblich aus Gründen des Datenschutzes - nicht möglich.
Also mussten über den Umweg der lokalen Gesundheitsämter die betroffenen Eltern ausfindig gemacht und um ihre Mithilfe gebeten werden. Zwei Drittel der Eltern weigerten sich aus nachvollziehbaren Gründen, die mühsamen und extrem langen Fragebögen auszufüllen und damit ihren Schmerz über den Verlust ihrer Kinder wieder aufzurühren. Nun wird man vielleicht meinen, ein Drittel von 667 sei ja auch noch ganz schön viel, um daraus Schlüsse zu ziehen. Das stimmt zwar, allerdings beklagten die Autoren einen Umstand, der zuvor scheinbar nicht bedacht worden war: Angeblich haben sich nämlich gerade jene Eltern vermehrt zur Teilnahme bereit erklärt, deren Kinder kurz nach Impfungen verstorben waren.
Aus den Daten ergab sich beispielsweise, dass das Sterberisiko im Zeitraum von drei Tagen nach der Impfung mehr als doppelt so hoch war, wie an "normalen Tagen". Das Risiko 14 Tage nach einer Impfung zu sterben war sogar um das mehr als Dreifache höher als in den restlichen Wochen des Halbjahres nach der Impfung. Und dies erscheint auch dann noch ungewöhnlich, wenn man berücksichtigt, dass das Sterberisiko mit jedem Monat leicht abnimmt.
Dieser beobachtete Effekt - so die Autoren der TOKEN-Studie - sei aber nicht real, sondern eben ein Resultat des beschriebenen Erfassungsfehlers. Und so mussten die Rohdaten gewichtet und statistisch angepasst werden, um diesen methodischen Fehler auszugleichen. Offizielles Ergebnis der TOKEN-Studie war schließlich, dass zwischen Impfungen und Todesfällen keinerlei Zusammenhang besteht.


Im Boot mit den Impfstoff-Herstellern

Neben der erwähnten methodischen Panne trug es auch nicht gerade zum Vertrauen in diese Resultate bei, dass sich das Robert Koch Institut die TOKEN-Studie zum Großteil von den Herstellern der Baby-Impfstoffe bezahlen ließ. Sie steuerten einen Betrag von rund 2,5 Mio. Euro bei. Die Pharmafirmen hatten zwar offiziell keinen Einfluss auf die Interpretation der Daten, mussten laut Vertrag aber "unverzüglich über relevante Erkenntnisse oder Bewertungen unterrichtet werden". Weiters wurde ihnen das Recht zugestanden, dass sie vor der Veröffentlichung der Resultate "Gelegenheit zur wissenschaftlichen Stellungnahme zu den zur Publikation vorgesehenen Texten erhalten".
In diesem Abstimmungs-Prozedere lag wohl auch der tiefere Grund, dass die TOKEN-Studie nicht wie ursprünglich vorgesehen, im ersten Halbjahr 2009, sondern erst jetzt - mit zweijähriger Verspätung - veröffentlicht worden ist.

Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) wurde ebenfalls vom Robert Koch Institut durchgeführt. Sowohl Untersuchungszeitraum als auch die Autorenteams der beiden Studien überlappten sich. Die Beteiligung war mit 66,6 Prozent etwa doppelt so hoch wie bei der TOKEN-Studie. Die Anzahl der komplett ungeimpften Kinder war mit 94 Kindern bzw. 0,7 Prozent der Gesamtgruppe jedoch sehr niedrig. Signifikante Unterschiede zeigen sich lediglich bei der Vermeidung impfpräventabler Erkrankungen wie Masern, Mumps, Röteln oder Keuchhusten. Abgesehen davon ergab sich bei weiteren wesentlichen Fragen das Problem, dass die Kontrollgruppe der ungeimpften Kinder viel zu klein für halbwegs verlässliche Aussagen war. Die Autoren leiteten daraus die Schlussfolgerung ab, dass
…Unterschiede im Auftreten allergischer Erkrankungen und der Häufigkeit von Infekten zwischen ungeimpften und geimpften Kindern nicht zu beobachten sind.

In Vorab-Meldungen zu dieser Studie hatte es noch geheißen, dass Impfungen sogar einen schützenden Effekt hätten. 2009 hieß es im Allergo Journal, dem Organ der Deutschen Gesellschaft für Allergie- und Immunitätsforschung:
Die KiGGS-Daten weisen auf einen leicht protektiven Zusammenhang zwischen Impfungen im ersten Lebensjahr und dem Risiko für spätere atopische Erkrankungen hin. Befürchtungen, Impfungen könnten das Allergierisiko erhöhen, werden durch die Daten jedenfalls nicht gestützt.


Mehr Infekte, höheres Asthmarisiko

Wenn man sich nun die Details der veröffentlichten Arbeit ansieht, kann man sich über beide Aussagen nur wundern. Zwar haben Keuchhusten-, Masern-, Mumps-, und Röteln-geimpfte Kinder deutlich weniger Keuchhusten, Masern, Mumps und Röteln. Diesen Effekt hatte aber auch vor der Studie kaum jemand bezweifelt.
Überraschend war jedoch, dass – von diesen klassischen impfpräventablen Krankheiten abgesehen – das Pendel tendenziell in die Gegenrichtung zeigte. Ungeimpfte Kinder in der Gruppe der Ein- bis Fünfjährigen hatten im Jahresmittel 3,3 Infekte, bei den Geimpften waren es im Schnitt 4,2. In derselben Altersgruppe lag der Anteil der Kinder mit mindestens einer atopischen Erkrankung bei 12,6 Prozent, in der Gruppe der Geimpften bei 15 Prozent. Weil bei niedrigen Fallzahlen die statistische Schwankungsbreite hoch ist, erreichte keines dieser Ergebnisse die Grenze zur Siginifikanz.

Erstaunlich sind die Unterschiede bei Asthma. In der Altersgruppe unter zehn Jahren findet sich in der ungeimpften Gruppe kein einziger Asthma Fall. Bei den 11 bis 17-jährigen sind es gerade mal zwei. Der Asthma-Anteil der ungeimpften Kinder lag somit bei 2,1 Prozent. In der Gruppe mit mindestens einer Impfung hatten 617 Kinder oder 4,6 Prozent die Diagnose Asthma. Das Risiko wäre für Geimpfte demnach also mehr als doppelt so hoch.

Davon ist jedoch in der Auswertung keine Rede. Derartige Effekte erklärten sich aus der geringen Fallzahl, meinen die Studienautoren. Sie schreiben lakonisch:
Für Asthma bronchiale sind bei ungeimpften Kindern im Alter von 1 bis 10 Jahren keine Arztdiagnosen berichtet worden. Aufgrund der geringen Erkrankungswahrscheinlichkeit und den besonderen Schwierigkeiten einer Diagnosestellung in diesem Alter sowie der geringen Fallzahl Ungeimpfter wären auch kaum Asthmakranke zu erwarten.

Am erstaunlichsten in der gesamten Auswertung finde ich die strikte Beschränkung auf vollständig ungeimpfte Kinder. Wenn ein Kind beispielsweise im Alter von sechs Jahren eine einmalige Masernimpfung erhält und sonst gar nie gepiekst wurde, so zählt es nach dieser Auswertung schon zur Gruppe der "Geimpften", die – nach dem gültigen Impfkalender der letzten Jahre – in den ersten 24 Lebensmonaten auf 13 Impfungen kommen, die von der Ständigen Impfkommission des Robert Koch Institutes empfohlen - und von den Kassen bezahlt werden. Darunter ist die Sechsfachimpfung gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Polio, Hib und Hepatitis B, Pneumokokken- und Meningokokkenimpfung, sowie die Lebendviren-Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken.
Einige Studien haben gezeigt, dass das Risiko vermehrter Allergien von jenen Kinderimpfungen ausgehen, die problematische Hilfsstoffe enthalten. Besonders verdächtig sind hier Aluminiumhydroxid und andere Aluminiumsalze, die als Wirkverstärker z.B. in allen Diphtherie-Tetanus-Keuchhusten(DTP)-Impfungen enthalten sind. Impfstoffe, die abgeschwächte Lebendviren enthalten wie jene gegen Masern, Mumps und Röteln, sind hingegen frei von derartigen problematischen Hilfsstoffen (Adjuvantien). Hier gibt es auch kaum Hinweise auf negative Auswirkungen auf das Immunsystem.
Wenn also in der KiGGS-Auswertung nicht "vollständig ungeimpfte" gegen "mindestens einmal geimpfte" Kinder verglichen worden wären, sondern beispielsweise DTP-geimpfte gegen DTP-ungeimpfte, so hätten sich mit Sicherheit größere Fallzahlen in der Kontrollgruppe ergeben und damit eine höhere statistische Aussagekraft.


Selbstzensur der Wissenschaft

Dabei können erstaunliche Resultate heraus kommen, wie etwa eine britische Arbeit von Tricia McKeever und Kollegen aus dem Jahr 2004 zeigte. Die Wissenschaftler der Universität Nottingham fanden ein 14-fach erhöhtes Asthma-Risiko nach DTP Impfung. Mit dem hahnebüchenen Argument, dass ungeimpfte Kinder seltener zum Arzt gehen und deshalb auch weniger "Chancen" haben, vom Arzt eine Asthma-Diagnose verpasst zu bekommen, erklärten McKeever und Kollegen jedoch originellerweise ihre eigenen Ergebnisse für ungültig. Mit dieser Feststellung wurde ohne nähere Erklärungen ein Schlussstrich unter die Studie gezogen. Wo es bei der Mehrzahl der wissenschaftlichen Arbeiten am Ende nämlich heißt, dass "weitere Forschung nötig ist", um verbliebene Fragen zu klären, fehlte diese Standardphrase wissenschaftlicher Literatur in der McKeever-Arbeit vollständig.

Sehr ähnlich wie die KiGGS-Ergebnisse klingen die Daten einer Neuseeländischen Arbeit von Trudi Kemp und Kollegen, wo in der - ebenfalls recht kleinen – Gruppe der DTP-ungeimpften Kinder gar kein Fall von Asthma registriert wurde.
Eine Studie der US-Gesundheitsbehörde CDC unter Leitung von Frank DeStefano kam in einer Studie auf ein signifikant erhöhtes Asthma-Risiko nach Einführung der - ebenfalls Aluminium-verstärkten – Hepatitis B-Impfung. Der Effekt zeigte sich deshalb recht deutlich, weil zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Studie noch ein größerer Teil der US-Kinder nicht Hepatitis-B geimpft war und es damit eine gute Vergleichsgruppe gab. Auswirkungen hatte diese Beobachtung jedoch keine, Frank DeStefano tippte, so wie auch Tricia McKeever auf einen "Erfassungsfehler" in den eigenen Daten.

Wie sehr es in der Auswertung der KiGGS-Daten auch wichtig gewesen wäre, den Zeitpunkt der Impfungen mit ein zu beziehen, zeigte die Arbeit eines kanadischen Forscherteams unter Leitung von Anita Kozyrskyj aus dem Jahr 2008. Die Gruppe fand in einer großen Jahrgangs-Kohorte von Kindern ein deutlich vermindertes Asthma-Risiko wenn die DTP-Impfungen später verabreicht wurden. Eine Verschiebung der ersten DTP-Dosis um nur zwei Monate nach hinten reduzierte das spätere Asthmarisiko der Kinder immerhin auf die Hälfte. Wurden alle drei Teilimpfungen der Grund-Immunisierung nach hinten verschoben, so sank das Asthma-Risiko gar um signifikante 61 Prozent.

All diese alarmierenden Signale hätten mit den Daten aus der KiGGS-Umfrage nachgeprüft werden können. Doch das wurde unterlassen. Und so wissen wir weiterhin nicht, wie es um den Zusammenhang zwischen Allergien und Impfungen steht und ob die beschriebenen Effekte auch in Deutschland vorkommen.

Doch es ist ja noch nicht zu spät. Die Daten von KiGGS liegen vor. Man müsste sie bloß dem Robert Koch Institut weg nehmen und sie von unabhängigen Wissenschaftlern auswerten lassen.
Denn niemand ist schlechter geeignet für eine objektive Prüfung, als jemand, der sich mit einer kritischen Beurteilung selbst schaden würde. Und das wäre zweifellos der Fall, wenn sich herausstellen sollte, dass einige der Impfungen, die von Experten des Robert Koch Institutes empfohlen wurden, Kinder krank machen könnten
Befangenheit nennt man das in der Rechtssprechung.
In der Medizin werden solche Befangenheiten schlichtweg ignoriert. Und niemand findet etwas dabei, wenn sich Impfexperten selbst überprüfen - und dabei ständig rauskommt, dass eh alles in Ordnung ist.

Mittwoch, 9. März 2011

TOKEN Studie: Dreifach erhöhtes Sterberisiko nach Sechsfach-Impfung

Im Zeitraum von 2005 bis 2008 untersuchte das Robert-Koch-Institut (RKI) alle Sterbefälle bei Babys im Alter zwischen zwei und 24 Monaten. Die Ergebnisse sollten 2009 veröffentlich werden. Mit zwei Jahren Verspätung war es nun endlich so weit. Die Resultate der TOKEN-Studie sind auf der Homepage des RKI nachzulesen. Und nun scheint auch klar, warum die Publikation der Daten so lange verzögert wurde: Es zeigte sich nämlich, dass das Sterberisiko im Zeitraum zwei Wochen nach einer Sechsfach-Impfung – im Vergleich zu den Monaten danach – um das Dreifache erhöht ist. 

Wer bereits nachgesehen hat, auf der RKI-Homepage, wird sich wundern, wie ich zu meiner Aussage komme. Dort ist von derartigen Resultaten nämlich keine Rede. Dafür erfolgt in der Rubrik "Ergebnisse" der Studien-Zusammenfassung gleich über eine ganze Seite eine Erklärung, warum bei den vorliegenden Rohdaten der TOKEN Studie ein schwerer methodischer Fehler, nämlich ein so genannter "Selection Bias" vorliegt.
Der Grund dafür wird vom RKI folgendermaßen erklärt:
Im Rahmen der dreijährigen Studie wurden 676 uSUD-Fälle (Anm: "unerklärliche und nicht erwartete plötzliche Todesfälle") durch die Gesundheitsämter gemeldet. Von diesen 676 gemeldeten Fällen konnten 37,6% (254 Fälle) in die Studie aufgenommen werden, die Eltern der anderen 422 Fälle stimmten einer Studienteilnahme nicht zu. ...
Eine Auswertung der Teilnahmequoten für den epidemiologischen Studienteil ergab, dass Eltern von Kindern, die kurz nach einer Impfung verstorben waren, sich eher bereiterklärten, an der Studie teilzunehmen. Diese Selbstselektion von Eltern exponierter Fälle (‚selection bias’) kann in der Auswertung nicht korrigiert werden und führt zu einer verzerrten Risikoberechnung. Das in der TOKEN-Studie berechnete Risiko überschätzt deshalb das ‚wahre’ Risiko. Dies muss bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden.

Sehen wir uns an, wie sich das in den Daten wieder spiegelt.

Tabelle 12 der Studie zeigt, in welchem Abstand zur letzten vorangegangenen Sechsfach-Impfung die Kinder gestorben sind:

  • 27 Kinder starben binnen zwei Wochen nach der letzten Sechsfach-Impfung 
  • 102 Kinder starben im Zeitraum zwischen zwei Wochen und sechs Monaten nach dem letzten Impftermin

Wenn die Impfung nichts mit den Todesfällen zu tun hat, sollte das Sterberisiko nach der Impfung etwa gleich hoch sein, wie im Lauf des folgenden halben Jahres (und nur dem leichten Abwärtstrend des allgemeinen Sterberisikos während der ersten beiden Lebensjahre folgen).
Eine simple Division zeigt nun, dass dem nicht so ist:

  • Binnen zwei Wochen nach der Impfung wurden pro Tag 1,93 Todesfälle registriert.
  • In den 168 Tagen des restlichen Halbjahres nach der Impfung wurden pro Tag hingegen nur 0,61 Todesfälle registriert.

Daraus ergibt sich ein um den Faktor 3,2 höheres Sterberisiko im Zeitraum von zwei Wochen nach der Impfung.

Ein derartiges Ergebnis ist natürlich schockierend, kann nach den vorliegenden Rohdaten aber nicht geleugnet werden.
Wenn das Argument der Studienautoren stimmt, dass sich vorwiegend jene Eltern, deren Kinder kurz zuvor geimpft worden sind, bereit erklärt haben, an dieser Studie teilzunehmen, so haben wir aber ein Dilemma. Denn natürlich würde das die Studien-Aussage verfälschen.

Daraus ergibt sich die Frage, warum es überhaupt notwendig ist, Eltern, deren kleine Kinder vor kurzem gestorben sind, für eine vollständig anonyme Studie um ihr Einverständnis zu bitten und mittels eines Fragebogens zu belästigen.
Es ist selbstverständlich, dass viele dieser Eltern nicht erfreut sind, über den Tod ihres Kindes Auskunft zu geben und langwierige Fragebögen auszufüllen.
Es wirft ein bezeichnendes Bild auf den Zustand der epidemiologischen Forschung in Deutschland, wenn es nicht möglich ist, diese Daten anonym zu erheben. Handelt es sich doch - nach der Definition dieser Todesfälle um "nicht erwartete und von der Medizin nicht erklärbare Todesfälle" bei Babys.
Man sollte doch annehmen, dass hier nicht einfach der Sargdeckel zugeschraubt und die Kinder - ohne weitere Untersuchungen - beerdigt wurden, sondern dass diese Todesfälle besonders genau untersucht werden.
Warum ist es nicht möglich, diese Erhebungen in die RKI-Studie aufzunehmen? Zumal ja die Studie weithin bekannt war und nahezu alle Gesundheitsämter, Gerichtsmediziner und sonstigen einschlägigen Behörden in Deutschland vorab über die TOKEN-Studie informiert worden waren.
Hier nun ohne Daten da zu stehen - und mühselig an die Eltern der toten Kinder herantreten zu müssen ist eine unglaubliche Schlamperei und eine Perversion des Datenschutz-Gedankens. Wissenschaftler skandinavischer Länder können über so etwas wohl nur ungläubig den Kopf schütteln.

Wir haben also eine mit großem Aufwand durchgeführte Erhebung aller unerklärten plötzlichen Todesfälle in Deutschland. Und nun ist es kaum möglich, diese Daten vernünftig zu interpretieren, weil es bei zwei Drittel der toten Babys keine Angaben zu den vorangegangenen Impfungen gibt.

Um überhaupt Aussagen treffen zu können, wurden einige epidemiologische Spezial-Verfahren vorgenommen. So wurde eine Fall-Kontroll-Studie gebildet, um das Sterberisiko statistisch zu bemessen.
Hier ergeben sich nun lauter nicht signifikante Ergebnisse.

Solche Spezial-Erhebungen haben nun aber einen vergleichsweise hohen Unsicherheits-Faktor. Zudem besteht - auf Grund der langen Verzögerung - der begründete Verdacht, dass diese Auswertungen erst vorgenommen wurden, nachdem das verheerende Resultat der Rohdaten-Auswertung bekannt wurde.

Bleibt also als unbefriedigendes Fazit dieser teuren und langwierigen Studie, dass die Ergebnisse ungewiss sind.

Das hätte nicht sein müssen, wenn jene Behörden und Gerichtsmediziner, die mit den Todesfällen befasst waren, ein anonymes Datenblatt ausgefüllt hätten, in dem die nötigen Angaben zu vorangegangenen Impfungen erfasst gewesen wären.
Dann hätten wir nun das,  was wir uns eigentlich von der TOKEN-Studie erhofft hatten: Klarheit über die Frage, ob es nach Impfungen - und falls ja, nach welchen - ein höheres Sterberisiko gibt.
Auf diesen einfachen Gedanken ist aber scheinbar niemand gekommen und diese Chance wurde vertan.

Wenn man nun von Seiten des RKI aber als Ergebnis raus posaunt, dass das Risiko für einen plötzlichen Tod innerhalb einer Woche nach Sechsfachimpfung nicht erhöht ist, so muss man auch dazu sagen, dass es sich dabei nicht um die korrekte Wiedergabe der erhobenen Daten handelt, sondern um eine über statistische Umwege erreichte Ersatz-Interpretation handelt.

Das kann jeder – siehe oben – ganz simpel mit einem Taschenrechner nachprüfen.


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