Donnerstag, 6. August 2009

Reform im Schwarzen Loch


Vor vier Jahren wurde die Gesundenuntersuchung reformiert. Die gesetzlich vorgesehene wissenschaftliche Bewertung ihres Nutzens ist jedoch bis heute ausständig.

Etwa 800.000 Österreicher gehen jedes Jahr zur Gesundenuntersuchung. Die Kosten dafür liegen bei rund 70 Millionen Euro. Im Herbst 2005 präsentierte die damalige Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat die Reform des seit der Einführung im Jahr 1974 nahezu unveränderten Programms. Dabei wurden einige der Tests, die sich im Lauf der Jahre angesammelt hatten, entrümpelt, weil deren Nutzen laut internationaler wissenschaftlicher Evidenz bei Routine-Untersuchungen an Gesunden nicht erwiesen ist. Beispielsweise das Belastungs-EKG. Andere Tests blieben, nach heftiger Gegenwehr der Ärztevertreter im Programm. Sie sollten aber laufend evaluiert und nach spätestens zwei Jahren entfernt werden, wenn sich – wie zu erwarten war – kein Nutzen zeigt. In diese Kategorie fällt ein Test auf Leberwerte, ein Harnstreifentest bei Jüngeren und das so genannte „rote Blutbild“ bei Frauen. Bei diesen Tests besteht die Gefahr, dass sie häufig Fehlalarm mit kostspieligen und für die Betroffenen Nerven aufreibenden Nachfolge Untersuchungen auslösen. Die Leberwerte werden hingegen oft erst auffällig, wenn bereits ein Schaden eingetreten ist. „Dadurch“, erklärt der Vorsorge-Experte Franz Piribauer, der im Hauptverband für die wissenschaftliche Begleitung der Reform zuständig war. „werden Menschen mit problematischem Alkoholkonsum viel zu lange im Glauben gelassen, dass alles in Ordnung ist.“
Erstmals wurde auch vermehrter Wert auf Lebensstil-Beratung über gesunde Ernährung, Abnehmen, Alkohol-, oder Raucherentwöhnung gelegt und dies den Ärzten auch mit insgesamt knapp 70 Euro honoriert. Doch ob sie dies in der Praxis auch tun, ob die empfohlenen Maßnahmen greifen und ob die Menschen in Summe von der Gesundenuntersuchung profitieren, weiß man heute genau so wenig wie vor 35 Jahren. Zunächst funktionierte die Weitergabe der Daten nicht. Dies besserte sich erst, als die Abrechnung der Untersuchung mit dem Eingang des Dokumentations-Bogens verknüpft wurde. Nun spießt es sich wiederum an der Zuverlässigkeit der Befund-Daten und der fehlenden Verknüpfung mit Nachfolge-Untersuchungen. In einer jüngst präsentierten Zwischenbilanz hieß es deshalb: „Klare Aussagen zu direktem Nutzen bzw. Schaden der Vorsorgeuntersuchung sind nicht möglich.“
Als bislang aussagekräftigste Untersuchung gilt deshalb ein vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) in Kooperation mit dem Hauptverband organisierter Test, bei dem zwei in ihren Krankengeschichten „präparierte“ Patienten bei 21 Wiener Ärzten eine Vorsorge-Untersuchung absolvierten. „Erfreulich war, dass der Großteil der Ärzte sich viel Zeit für das Abschlussgespräch nahm“, fasst Bärbel Klepp, die Projektleiterin des VKI, die Ergebnisse zusammen. „Erschreckend schlecht war in Einzelfällen jedoch die Dokumentation der Ergebnisse.“ Da wurde die Raucherin mehrfach als Nichtraucherin angekreuzt und dem männlichen Probanden eine „auf eigenen Wunsch durchgeführte“ Aufklärung über Prostatakrebs eingetragen, obwohl der Mann nach einer Operation gar keine Prostata mehr hat. „Hier muss sich noch einiges bessern“, sagt Klepp. „Denn so macht eine wissenschaftliche Auswertung wenig Sinn.“

Dieser Artikel ist im Rahmen der profil-Titelstory vom 3. August als Infokasten erschienen.

1 Kommentar:

  1. Lieber Bert,
    Ich war im Hauptverband der de fakto Manager dieses Quantensprungs. Die Wissenschaft hat uns Fachleuten (einer sehr kooperativen ersten Arbeitsgruppe der Ärztekammer und einigen Kollegen aus den Sozialversicherungen) nur dazu gedient zu Erkennen was weltweit das Beste ist. Was sich bewährt hat, und was zu entrümpeln ist.
    Franz Piribauer; Mehr dazu: http://www.zaeg.at

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