Samstag, 6. Juni 2009

Paul Ehrlich Institut - den Herstellern verpflichtet oder dem Verbraucherschutz?

Wer als Folgerung meines Beitrags vom Donnerstag meint, die Willfährigkeit der Zulassungsbehörden gegenüber den Impfstoffherstellern, sowie das offenkundige Unwissen über die Zusammensetzung der zugelassenen Impfstoffe, beschränke sich auf Österreich, sei gleich auf das deutsche Paul Ehrlich Institut verwiesen.
Auf deren Webseite werden kritische "Behauptungen" zu den klinischen Studien und zur Zulassung der HPV Impfstoffe unter die Lupe genommen und widerlegt.

Beispielsweise die auch von mir geteilte Ansicht, "die Zusammensetzung der Placebos sei für die Untersuchung von Nebenwirkungen nicht geeignet".

Dies wird folgendermaßen "entkräftet":

Stellungnahme des PEI:

Ein Placebo ist ein Scheinmedikament, das einem echten Arzneimittel gleicht. Es wird z.B. als Kontrollmittel in klinischen Studien gegeben, um die echte Arzneiwirkung von den psychischen Wirkungen einer Heilmittelgabe auf den Patienten unterscheiden zu können.

Bei einer placebokontrollierten Impfstoff-Studie gibt es zwei Möglichkeiten, wie das Placebo aufgebaut sein kann:

Entweder erhält eine Teilnehmergruppe den zu testenden Impfstoff, die Vergleichsgruppe dagegen einen 'Scheinimpfstoff', dem das Impfantigen (der Wirkstoff) fehlt, der ansonsten aber von der Zusammensetzung her mit dem Testimpfstoff identisch ist. Dies erfordert natürlich unter anderem auch die Verwendung von Adjuvanzsystemen wie zum Beispiel Aluminiumhydroxid (Al(OH)3), wenn diese im Testimpfstoff verwendet werden. Dies war bei Gardasil der Fall.

Oder eine Teilnehmergruppe erhält den zu testenden Impfstoff, die andere Gruppe einen bereits zugelassenen Impfstoff, der ein anderes Impfantigen enthält. Das hat den Vorteil, dass die Placebogruppe ebenfalls einen Nutzen von der Teilnahme an der Studie hat.

Beide Ansätze erlauben es, den Anteil an Nebenwirkungen, der auf das Impfantigen zurückzuführen ist, zu ermitteln, da das Impfantigen der einzige Unterschied in der Zusammensetzung von Testimpfstoff und Placebo ist.


Diese meiner Ansicht nach vollständig absurde Argumentation klingt so, als sei sie wortwörtlich von den PR-Aussendungen der Herstellerfirmen abgeschrieben.

Zum einen unterschlägt sie die sinnvollste und aussagekräftigste Placebo-Impfung, nämlich die Injektion einer physiologischen Salzwasser-Lösung (wie sie sogar in einer der kleineren Gardasil-Studien eingesetzt wurde).

Zum anderen verblüfft das PEI mit der Rechtfertigung, dass es nur durch dieses Studiendesign möglich sei, die Nebenwirkungen herauszufiltern, die speziell auf die Impfantigene zurückzuführen sind.
Das ist unbestritten. Doch wen interessiert dieser Bruchteil an Nebenwirkungen? Was ist mit den Nebenwirkungen, die von den Adjuvantien und den anderen Inhaltsstoffen verursacht werden?
Die Mädchen, die geimpft werden und deren Eltern interessiert nicht dieser spezielle Anteil der Nebenwirkungen, sondern das gesamte Nebenwirkungs-Spektrum mit dem sie konfrontiert sind. Sie bekommen ja die gesamte Impfung und nicht bloß die Impfantigene gespritzt.

Noch falscher wird die Aussage des PEI, wenn in der Kontrollgruppe als Placebo eine andere Impfung verwendet wird. Im konkreten Fall von Cervarix, dem neben Gardasil zweiten zugelassenen HPV-Impfstoff, war das die Hepatitis A Impfung "Havrix". Sowohl Cervarix als auch Havrix sind Impfstoffe von GlaxoSmithKline (GSK).
Damit endet aber auch schon die Gemeinsamkeit. Denn selbstverständlich verwenden die beiden Impfungen unterschiedliche Antigene.
Sie verwenden außerdem auch vollständig unterschiedliche Adjuvantien. In Havrix, das bereits 1995 zugelassen wurde, wird das seit vielen Jahrzehnten gebräuchliche Aluminiumhydroxid eingesetzt. Im Fall von Cervarix handelt es sich um AS04 eine brandneue Kombination von Aluminiumhydroxid mit Monophospholipid A, einer Substanz die aus der Oberfläche von Salmonellen isoliert wurde und das Immunsystem wohl an eine massive Salmonellen-Infektion erinnern soll. Dementsprechend heftig fällt auch die Immunreaktion aus. Cervarix erreichte im direkten Vergleich mit Gardasil eine um das zwei- bis sechsfache stärkere Bildung neutralierender Antikörper und nahezu dreimal so viele Gedächtniszellen.

Havrix als Placebo von Cervarix einzusetzen ist also etwa so sinnvoll, wie ein Blutdruck-Medikament gegen einen Cholesterin-Senker zu testen. Damit werden die Nebenwirkungen die Cervarix macht, von jenen die Havrix macht, überlagert. Das Ergebnis ist eine unbrauchbare Melange, die keine klaren Aussagen zur Sicherheit des neuen Arzneimittels erlauben.

Das Paul Ehrlich schreibt hingegen ungeniert:

Beide Ansätze erlauben es, den Anteil an Nebenwirkungen, der auf das Impfantigen zurückzuführen ist, zu ermitteln, da das Impfantigen der einzige Unterschied in der Zusammensetzung von Testimpfstoff und Placebo ist.


Wie schlampig und oberflächlich die Mitarbeiter des PEI sich diesen speziellen Fachfragen stellen, zeigt abschließend noch der Hinweis auf das in Gardasil eingesetzte Adjuvans.
Es handelt sich dabei nicht, wie hier behauptet, um Aluminiumhydroxid, sondern um AAHS (Amorphous Aluminum Hydroxyphosphate Sulfate), das von Merck entwickelt wurde und sich laut Firmen-eigenem Forschungsbericht auf Grund seiner verstärkten immunogenen Eigenschaften speziell für die „Virus like particles“ des HPV-Impfstoffes eignet und sich sowohl physikalisch als auch funktionell von den traditionell verwendeten Adjuvantien unterscheidet..
Zitat aus dieser Arbeit:
Merck Aluminum Adjuvant (AAHS) is a proprietary aluminum hydroxyphosphate sulfate formulation that is both physically and functionally distinct from traditional aluminum phosphate and aluminum hydroxide adjuvants.


Wem, frage ich, dient eine Behörde, die für die Sicherheit von Impfstoffen zuständig ist, aber nicht einmal um elementare Details dieser Arzneimittel bescheid weiß und im übrigen einer vollständig abgehobenen Argumentation der Pharmaindustrie folgt.

Fühlen sich öffentliche Agenturen wie das Paul Ehrlich Institut oder die AGES-PharmMed überhaupt noch dem Verbraucherschutz verpflichtet, oder sind sie längst den Herstellern hörig?

4 Kommentare:

  1. danke für diesen zusätzlichen bericht. lässt einem noch einiges logischer erscheinen als zuvor.
    lg
    presonic

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  2. Dazu passt auch, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur EMEA nicht in die Zuständigkeit der Kommissarin für Verbraucherschutz fällt, so wie man das eigentlich annehmen würde, sondern in Günther Verheugens Kommission für Wirtschaft und Industrie angesiedelt ist.
    Zwei Drittel des Budgets der EMEA zahlt die Pharmaindustrie. Und die Hand, die einen füttert, beißt man nur ungern.
    Dasselbe gilt auch für die österr. Arzneimittel-Agentur AGES-PharmMed. Auch hier haben es die Politiker für eine gute Idee gehalten, die Pharmaindustrie für deren Unterhalt aufkommen zu lassen.
    Ich halte das für fahrlässig.

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  3. das ist ja krass. wusste ich nicht. (wahrscheinlich wie die meisten österreicherinnen und österreicher)

    schönen abend und liebe grüße,
    presonic

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